Praxis Sievering

Sieveringer Str 9, 1190 Wien Tel: 328 8777

Venenzentrum

Das offene Bein

Allgemeine Informationen

Ulcus cruris

Übersicht

Die Behandlung des Ulcus cruris (offenen Beine)

Pathophysiologische Grundlage der Therapie:

Da das Ulcus cruris venosum die schwerste Form der CVI darstellt, muß auch bei dem Ulcus cruris venosum die Reduktion der Drucküberlastung im Venensystem das Ziel der Behandlung sein. Wann immer möglich sollte die kausale Therapie zur Ausschaltung pathologischer Refluxe vorrangig eingesetzt werden.Im folgendenwerden die sich z.T. ergänzenden therapeutischen Verfahren aufgezeigt, die zur Lösung dieses Problemes genutzt werden können.

  • Phasengerechte feuchte Wundbehandlung: Sie ist Grundlage der nicht-invasiven Therapie. Eine bekannte Methode mit Hydro- polymeren, Hydrogel Verbandsmaterialien die Wunde zu reinigen und zur Abheilung zu bringen.

  • Vacuseal-Verband: Die Sogbehandlung bekannt als Vacuumtherapie wird sowohl eigenständig, als auch regelmäßig nach chirurgischen Debridement, Fasciektomie eingesetzt.

  • Medizinische Kompressionstherapie: Sie ist Grundlage der nicht-invasiven Therapie und kann alleine bzw. in Kombination mit invasiven Strategien angewendet werden. Ihre Hauptwirkung entfaltet sie bei Aktivierung der Muskel-Gelenk-Pumpen, weswegen die Patienten zu regelmäßigen Gehübungen aufgefordert werden sollen. Die geforderten Eigenschaften beinhalten einen hohen Arbeitsdruck sowie einen niedrigen Ruhedruck, weswegen vorwiegend kurzzugelastische Materialien zur Anwendung kommen. Wechsel- und Dauerverbände sowie zweizugelastische medizinische Kompressionsstrümpfe bzw. -strumpfhosen können verwendet werden. Durch die Verwendung von Druckpolstern kann die Effektivität der Kompressionswirkung verstärkt werden. Arterielle Durchblutungsstörungen im Anwendungsbereich müssen im Rahmen der Indikationsstellung als Kontraindikationen berücksichtigt werden (nach Schweregrad relativ bzw. absolut), dies gilt insbesondere für ihre Anwendung bei peripheren Neuropathien mit Verminderung der Sensibilität.

Operative Therapie:

    Venenchirurgie: Insuffiziente epifasziale Venen, die infolge Reflux zu einer überlastung der tiefen Venen führen und deren Entfernung nachweislich zu einer lokalen oder allgemeinen Verbesserung der venösen Funktion führt, sollen ausgeschaltet werden. Insuffiziente Verbindungsstellen zwischen epifaszialem und subfaszialem Venensystem (Krossen, venae perforantes) werden hierbei oder aber bei einem gesondertem Eingriff ligiert. Soweit indiziert, möglich und vom Patienten mitgetragen, soll die operative Revision von Refluxstrecken der rein konservativen Behandlung vorgezogen werden. Inzisionen in diesem Bereich sind durch eine hohe Quote von Wundheilungsstörungen belastet.Es kommen in diesen Fällen indirekte Verfahren wie die nichtselektive subfasziale Perforansdissektion oder die endoskopische Perforansdissektion in Frage.

  • Faszienchirurgie: Bei fortgeschrittener Dermatolipofasziosklerose (Stadium III) kann mit gleicher Technik eine zusätzliche paratibiale Fasziotomie durchgeführt werden. Sie dient in erster Linie der Verbesserung der Mikrozirkulation mit besserer Heilungstendenz von Ulzerationen. In gewebearmen Bezirken können zus. Muskeltranspositions- plastiken hilfreich sein.

  • Ulkuschirurgie: Das chirurgisches Debridement des Ulkus wird unter dem Punkt "Lokaltherapie" abgehandelt. Im Anschluß kann eine plastische Deckung mit Meshgraft , Spalt- oder Vollhaut durchgeführt werden. Vor einer plastischen Deckung sollten ursächliche insuffiziente Venenabschnitte saniert und klinisch manifeste Infektionen behandelt sein. Eine Maximalvariante des chirurgischen Debridement stellen die sequentielle Ulkus-Exzision ggf. mit kruraler Faszienresektion bzw. die Shave-Therapie dar. Die so entstehenden Defekte werden wiederum primär oder sekundär plastisch gedeckt.

  • Sklerotherapie: Zum Ausschalten epifaszialer Venen kann auch die Sklerotherapie durchgeführt werden. Wegen der im Vergleich zur operativen Therapie erhöhten Rezidivrate bei Varikose der Stammvenen sollte sie bevorzugt bei Seitenast- und retikulären Varizen zur Anwendung kommen. Eine Sklerosierung von Varizen, die im Ulkusbereich liegen bzw. auf dieses zuziehen (sog. "Nährvenen") kann in Erwägung gezogen werden.

  • Lokalbehandlung: Da die Wundheilung ein körpereigener Vorgang ist, der durch ärztliche Maßnahmen nur insofern beschleunigbar ist, als daß innere oder exogene (s.u.) hemmende Einflüsse beseitigt werden, ist es neben der Behandlung der die Ulzeration auslösenden Erkrankung(en) alleinige Aufgabe der lokalen Wundtherapie, eine ungestörte Wundheilung zu ermöglichen. Die Anforderungen an den optimierten Wundverband sind somit:

    • Reduktion von Schmerz und Juckreiz

    • Aufnahme von Wundsekret, ohne die Wunde auszutrocknen

    • inertes oder zumindest hypoallergenes bzw. nicht irritatives Material

    • einfacher Verbandwechsel mit größtmöglicher Schonung der Wunde

    • Vermeidung der Abgabe von Verbandbestandteilen an die Wunde

    • keine Behinderung des Gasaustausches der Wunde (O2/CO2)

    • Protektion gegenüber physikalischen (Kälte, Wärme, Druck & Zug, Feuchtigkeit, Austrocknung, Strahlung), chemischen und mikrobiellen (Bakterien, Pilze, Viren) Belastungen

    • Adaptionsfähigkeit an die in der Wunde herrschenden Wundheilungsphasen

    • Möglichkeit zur Selbstbehandlung durch den Patienten

    • biologische / ökologische Verträglichkeit

    • gutes Preis-Wirksamkeits-Verhältnis

Als solchgeartete Verbandsstoffe werden z. B. angeboten: wirkstofffreie Fettgazen, Schaumstoffe (z. B. aus Polyurethan), Calciumalginatwatten bzw. -kompressen, Hydrogele, Hydrokolloide, Hydroaktive Verbände und Kollagenschwamm-Verbände. Ein genereller Vorteil einzelner Verbandsstoffe im Vergleich ist bislang nicht belegt.

Eine optimierte ursächliche Therapie und eine optimierte Wundauflage reichen in der Regel aus, um die Wundheilung anzuregen und das Ulkus zum Abheilen zu bringen.

Die Applikation differenter externer Substanzen erbringt gegenüber einer konsequenten Kausaltherapie und einer optimierten Lokaltherapie mit den oben angegebenen Mitteln keinen Vorteil und beinhaltet die Gefahr der Hemmung der Wundheilungsvorgänge. Zur Reinigung des Ulkus beim Verbandswechsel sollen keine Antiseptika,sondern z. B. Ringerlösung verwendet werden.Falls erforderlich soll die Ulkusumgebung zum Schutz vor Mazeration z. B. mit Zinkpaste abgedeckt werden.

Bei hartnäckig nicht heilenden Ulzera nach Ausschöpfung aller anderen therapeutischen Möglichkeiten ist der zusätzliche Einsatz von Wachstumsfaktoren durch die direkte Applikation von Einzelfaktoren und Faktor-Kombinationen bzw. indirekt durch Transplantation von Keratinozytenkulturen z. Z. in klinischer Erprobung.     

Behandlung exogen hemmender Einflüsse:   

Nekrosen und fibrinöse Beläge: Primär sollte ein chirurgisches oder mechanisches Debridement ggf. in Anästhesie angestrebt werden. Alternativ kann das Andauen mittels Salicylvaseline bzw. die Anwendung enzymatischer Reinigungsmittel zur Anwendung kommen.

 

    Wund-Infektionen (z. B. Erysipel): Eine externe Therapie mit Ruhigstellung und Kühlung der betroffenen Extremität unter Heparinschutz für die Akutphase der Entzündung ist empfehlenswert; lokale Antiseptika, die durch eine geringe Sensibilisierungsrate, ein breites Wirkungs- spektrum und eine geringe Beeinträchtigung der Wundheilung charakterisiert sind, sollen die oberflächliche Wundkontamination reduzieren ( z.B. Chiniofon, Jod-PVP, Octenidin, Polihexanid), während systemische Antibiotika - gegebenfalls per Infusions- behandlung - nach Resistogramm ausgetestet die gewebeständigen Erreger bekämpfen.

Nicht routinemäßig angewendet werden sollten lokale Antibiotika und Antiseptika aus der Gruppe der Chinolinderivatfamilie und der Triphenylmethanfarbstoffgruppe wegen der nichtausreichenden Wirksamkeit oder der Möglichkeit der Erzeugung resistenter Mikroorganismen oder der Neigung, insbesondere bei Ulcus cruris-Patienten, Kontakt- sensibilisierungenhervorzurufen oder ihrer z.T. ausgeprägten Wundheilungshemmung.   

Lokale allergische Reaktionen: Ulcus cruris venosum - Patienten sind zu einem hohen Prozentsatz (bis zu 80%) gegen Bestandteile der zuvor lokal verwendeten Substanzen sensibilisiert, das kann auch Kortikosteroide betreffen. Die Behandlung besteht in dem Erkennen und Eliminieren des auslösenden Agens sowie dem befristeten Anwenden lokaler, in schweren Fällen auch systemischer Kortikosteroide.  

 Physikalische Therapie:        

ein intensives kontrolliertes Gehtraining        

die krankengymnastische Mobilisierung der bzw. des Betroffenen unter besonderer  Beachtung der Sprunggelenksbeweglichkeit        

die manuelle Lymphdrainage        

die apparativ intermittierende Kompression    

 

Systemische medikamentöse Therapie: Acetylsalicylsäure, Calciumdobesilat, Cumarin, Diuretika, Fibrinolytika, Fibrinolyse- Verstärker, Flavonoide, Pentoxyphyllin, Prostaglandin E1, Saponine, Tribenosid. Es muß betont werden, daß diese systemische adjuvante Therapien kein Ersatz für die kausale Therapie sein können. Die möglichen Nebenwirkungen und die damit verbundenen Kontra-indikationen schränken den Einsatz der Medikamente ein.    

 Nachfolge-Behandlung: Infolge der ausgesprochen hohen Rezidivquote ist eine konsequente Weiterbetreuung des Patienten wünschenswert,um auf sich anbahnende Dekompensationen und eintretende Komplikationen schnellstmöglich eingehen zu können. Eine konsequente Kompressionsbehandlung der betroffenen Extremität(en) mittels Kompressions- verbänden oder Kompressionsstrümpfen der Kompressionsklasse II-III ist zweckmäßig.

Prophylaxe

Verwendung gerinnungshemmender Medikamente (Heparin s.c.)

orale Antikoagulanzien (Marcumar)

Anwendung von Stützstrümpfen vor Operationen oder nach Entbindungen

allgemein Vermeidung von Risikofaktoren

ausreichende Flüssigkeitszunahme

bei längeren Flügen oder Autofahrten möglichst einmal in der Stunde aufstehen und umher gehen.

Zur Verbesserung der venösen Hämodynamik können kommen nur in besonders gelagerten Fällen und mit strenger Selektion folgende rekonstruktive Operationsmethoden zur Anwendung:

  • freie Gefäßtransplantationen im Bereich der Beckenvenen
  • Umleitungsoperation nach Palma (ggf. in Modifikation)
  • Transposition von klappentragenden Segmenten (Kistner)
  • freie Transplantation von klappentragenden Venensegmenten.

| 16.11.2014 | Weiter lesen | Druck |

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