Psychoonkologieschebetreung
von Prof. Dr. H. Benzer, Evangelisches KH
Wir müssen davon ausgehen,daß bei Betroffenen und deren Angehörigen
die Diagnose "
Krebs" in der Regel eine schwere Krise auslöst. Was ist eigentlich
Psychoonkologie? In
wieweit kann sie dem, an Krebs erkrankten Patienten, helfen? Es ist das
besondere
Anliegen der Psychoonkologie, den krebskranken Patienten so zu betreuen,
daß er sich
nicht nur als kranker Körper, sondern als ganzer Mensch mit Leib
und Seele behandelt
erlebt.Dies stärkt das Vertrauen des Patienten zum Behandlungsteam
und damit auch zur
Therapie, und mobilisiert Kräfte, an der Gesundung aktiv mitzuarbeiten.
Psychoonkologie
ist daher Psychosomatische Medizin, die von Adler als "die richtige
Haltung der ärzte und
Schwestern dem individuellen Kranken gegenüber" definiert wird.
Ein psychoonkologisches Behandlungskonzept kann jedoch nur dann zum
Tragen
kommen, wenn es an der Abteilung, an der Krebskranke behandelt werden,
von Chef,
den Oberärzten und Turnusärzten bis hin zum Pflegeteam, den
Seelsorgern und
Physiotherapeuten nicht nur toleriert , sondern auch praktiziert wird.
In ein solches
Behandlungsteam eingebettet, wird es dem Psychoonkologen gelingen, dem
Krebskranken Hilfe zu geben. Der Psychoonkologe ist darüber hinaus
aufgerufen,
im gesamten Team den Geist einer ganzeitlichen Behandlung von Krebskranken
wachzuhalten. Als emeritierter Professor wurde ich nach langer, klinischer
Vorbereitung
in dieser Funktion von "wirklichen" ärztinnen und ärzten,
von 2 Chefs, von Schwestern
und Pflegern, von Seelsorgern und Physiotherapeuten, vom Team ohne Vorbehalt
aufgenommen. Dafür darf ich allen von Herzen danken. Psychoonkologen
können auf
verschiedenen Wegen dem Kranken professionelle Hilfe anbieten.
Ich möchte Ihnen heute einen Weg skizzieren, einen Zugang zur Psychoonkologie,
in
dem ein Facharzt mit Ausbildung in Onkologie, als Schmerztherapeut erfahren,
sowie
mit Ausbildung in Psychosomatik oder Psychotherapie, hauptberuflich
voll integriert in
die onkologische Abteilung, hauptberuflich die Krebserkrankten im Umfeld
der Diagnose,
Therapie und Nachsorge, beim Rezidiv, während der Krankheitsprogression
und in
der Sterbephase mitbetreut.
Für Psychoonkolgen,die nicht emeritierte Professoren,sondern junge,
aktive,interessierte,
ausgebildete und psychosomatisch denkende ärztinnen oder ärzte
sein sollen,wartet hier
ein zukunftsträchtiger Berufszweig. Die Entwicklung der Psychoonkologie
begann in den
60iger Jahren in den USA. Damals beobachteten Onkologen und Strahlentherapeuten,
daß bei Patienten mit gleichen Krankheitsstadien und gleicher
Therapie die 5 Jahre
überlebenszeit, Heilung und Remission verschieden waren, und daß
bei nicht mehr zu
beeinflussender Progression, Selbstheilungen, unerklärliche Totalremissionen,auftraten.
Man vermutete damals, daß psychiche und psychosoziale Bedingungen
die Genese der
Krebserkrankung und deren Verlauf entscheidend beeinflussen. Von der
Psychotherapie
versprach man sich eine positive Beeinflussung der Erkrankung bis hin
zur Heilung.
Verschiedene Methoden, wie Hypnotherapie und Visualisierung wurden damals
zu
Therapiezwecken eingesetzt. Insbesondere die Methode nach Simonton
fand auch in
Europa eine große Verbreitung.
Kasuistiken und statistisch unzulängliche Untersuchungen wurden
zur Untermauerung
dieser Hypothesen herangezogen. Nur sehr vereinzelte Untersuchungen
sind es wert,
diskutiert zu werden. So konnte Spiegel eine interessante Studie vorstellen,
die zeigte,
daß Frauen, die an fortgeschrittenem Brustkrebs erkrankt waren,
und einer Psychosozialen Therapie unterzogen wurden, statistisch signifikant
17 Monate
länger lebten.
Nicht ausschließen kann man jedoch, das die Psyche Krebsentstehung
und Verlauf
beeinflussen kann. Eine ernste Forschung auf diesem Gebiet sollte in
der Zukunft mehr
Klarheit bringen. Die wissenschaftliche stütze dazu ist das moderne
Forschungsgebiet,
die Psychoneuroimmunologie. So wissen wir heute, daß seelische
Faktoren zu
Veränderungen im Immunsystem führen. Das verführte viele
Psychoonkologen diese
Ergebnisse auf den Verlauf der Krebserkrankung voreilig zu übertragen.
Aber wir wissen
wenig darüber, inwieweit psychisch bedingte immunologische Veränderungen
das
Krebsgeschehen beeinflussen. Eine realistische Kontrolle von Problemen
der aktuellen
Krankheitssituation und das Konzentrieren auf wahre Ziele, hilft dem
Patienten Probleme
zu bewältigen, nicht aber eine, den Patienten frustrierende, willensmäßige
Kontrolle des
Tumorwachstums, wie die ursprüngliche, heute noch in Europa propagierte
Simonton'sche Methode empfiehlt.
Die Säulen der, in der Psychoonkologie eingesetzten Methoden,
sind das Gespräch, das
Zuhören und die Empathie. Das wichtigste Gut für den Psychoonkologen
ist die Zeit. Zeit
zur täglichen Teilnahme an der chirurgischen, internistischen und
strahlentherapeutischen Visite, und Zeit für die an Krebs erkrankten
Patienten und deren
Angehörige. Der, in einem onkologisch orientierten Krankenhaus
tätige Psychoonkologe
ist Arzt mit einer psychosomatischen oder psychotherapeutischen Ausbildung,
mit einem
aktuellen Spezialwissen auf dem Gebiet der Krebsvorsorge, Krebsdiagnose,
Krebstherapie und Schmerztherapie. So ist er in der Lage, den Kranken
zu begleiten,
in ihn hineinzuhören, ihn zu verstehen und seine Fragen zu beantworten.
In ihm die große,
ferne Hoffnung oder die kleinen naheliegenden Hoffnungen zu wecken,
ihn zur Genesung
oder in der Sterbephase zu begleiten.
Um dem, nach Hause entlassenen, ehemaligen Patienten nicht all zu ferne
zu sein,erhält
der Patient die private Telefonnummer des Psychoonkologen. Durch das
Telefon lassen
sich viele kleine und großen Krisen lösen, oder auch gemeinsam
die Gesundung feiern.
Im Buch " Im habe deine Tränen gesehen" schreibt der
heuer verstorbene große
Moraltheologe Bernhard Häring als Betroffener, wie er sein Leiden
tragen konnte und in
seiner seelsorgerischen Tätigkeit Mitbetroffenen half die Erkrankung
zu bewältigen,
sie mit Gleichmut, Vertrauen und Hoffnung tragen zu können. Pater
Bernhard erkrankte
n einem Kehlkopfkrebs. über 20 Jahre ertrug er alle Stationen:
4 Operationen, Heilung,
Rezidiv, Stimmlosigkeit, ösophagussprache, Hoffnung, Schmerz und
Beruf bis zum Tode.
Er nannte seine Psychotherapie für den Kranken Beziehungstherapie:
Aufbau einer
tragenden Beziehung. Das ist die Grundlage der Psychoonkologie.
Die Zielsetzungen der Psychoonkologie sind vielfältig, sie sollen
Anstoß zu aktiver
Zuversicht, Gleichmut und Vertrauen geben, und damit dem Patienten helfen,
die Krankheit zu verarbeiten und das Leben nach kurativer oder palliativer
Therapie
bewältigen zu können. Die psychoonkologischer Betreuung muß
sich im Verlauf einer
Krebserkrankung verschiedenen Zeiträumen anpassen:
1. Unmittelbar vor und nach
der Diagnosestellung; in der so sehr belastenden Phase
des "Wartens" auf die Histologie und
vor der Festlegung der Primärtherapie bedrängen
Unsicherheit, Angst und Verzweiflung den Patienten.
Der Patient hinterfragt die
Diagnose; kann die Therapie die Krankheit heilen?
muß ich sterben?, werde ich wieder
gesund? Haben die Behandlungen Nebenwirkungen.
Der Psychoonkologe kann diese Fragen nur beantworten,
wenn er ausreichende
Kenntnisse in der chirurgischen und internen
Onkologie besitzt, und wenn er täglich
an den Visiten teilnimmt, also den aktuellen
Wissensstand des Teams zur
Krankengeschichte des Patienten besitzt. Ein
gemeinsames Gespräch mit Patient
und Angehörigen ist in dieser Situation
für beide hilfreich. Denn immer wiederkehrende
Fragen tauchen auf, wie "Warum gerade ich?",
"Was habe ich falsch gemacht?".
Der Patient macht sich seine eigene Krankengeschichte,
psychische Traumen werden
ursächlich mit der Erkrankung in Zusammenhang
gebracht. Mit viel Einfühlung muß
darauf eingegangen, und Schritt für Schritt
versucht werden, den Blick des Patienten in
die Zukunft zu richten, sich später von
noch schwelenden psychischen Lasten zu
befreien.
2. Während und nach der kurativen und palliativen tumorspezifischen
Behandlung sind
es vor allem die Nebenwirkungen, die den Patienten
belasten. Viele ängste und Fragen
entstehen im Vorfeld der Chemotherapie und Strahlentherapie.
Eingehende Gespräche
über die Wirkungen und Nebenwirkungen dieser
Therapien, wecken das Vertrauen in
die Behandlung und schwächen Nebenwirkungen
ab.
3. In der frühen Zeit nach erfolgreicher Behandlung fällt
der Patient nicht selten in ein
"depressives Loch", er wird im Alltag
immer wieder von Rezidivängsten gequält. Hat
der Patient die Telefonnummer des Psychoonkologen,
kann über das Telefon oft
erfolgreich Krisenintervention betrieben werden.
4. Die Situation bei erfolgloser Primärtherapie, bei Rückfall
und Krankheitsprogression
und in der Sterbephase ist psychosomatische
oder psychotherapeutische Kompetenz
und Erfahrung wichtig. Existentielle Krisen,
kürzere oder längere Remissionen mit der
großen Hoffnung, ängste, Schmerzen
und Verlust der Autonomie erschüttern den
Kranken. Gerade in dieser Phase ist es für
den Psychoonkologen oft schwer immer
wahrhaftig zu bleiben, nie Lüge, nie Versprechen
von Heilung, die es nicht mehr gibt.
Einfache, für den Patienten bedeutende
Nahziele können ihn jetzt im Leben halten,
Fernziele treten in den Hintergrund. Schmerzen
und ängste müssen in der Sterbephase
ausreichend therapeutisiert werden. Spiritualität,
Religiosität und Transzendenz werden
oft zu tröstender Kraft für den Sterbenden.
5. In der Nachsorgephase nach komplizierter Primärbehandlung und
bei
Krankheitsfolgen, kommt es oft zu einem Pendeln
zwischen normalen Alltag
und Rezidivängsten. Diese, für den
Patienten schwere und belastende Phase,
oft verbunden mit existentiellen Sorgen, kann
nicht selten eine Psychotherapie
notwendig machen. Viele Patienten fragen, was
kann ich tun, was hilft mir daß meine
Krankheit gut verläuft?
Der Onkologe und Psychotherapeut Kappauf hat, um auf diese Fragen eine
Antwort
zu finden, in Europa und übersee mit vielen ärztlichen und
nichtärztlichen
Psychotherapeuten, die mit Krebspatienten arbeiten, Erfahrungen ausgetauscht
und
diskutiert. Bei all den verschiedenen psychologischen und psychotherapeutischen
Ansätzen erwiesen sich 3 Elemente als wesentlich.
1. Ausreichende Information
über die Krankheit und Behandlung.
2. Möglichkeit einer realistischen Kontrolle und Vertrauen trotz
und in der Krankheit.
"Ich hole mir die Information, die ich
brauche" vom Behandler, vom Psychoonkologen,
von der Schwester, von einem 2. oder 3. Onkologen,
aus dem Internet. " Ich entscheide,
was die Krankheit für mich bedeutet",
"Ich kann zu meinem Wohlbefinden beitragen" Ich
entscheide mich für eine zusätzliche
Behandlung, z. B. Komplementärmedizin. Der
Psychoonkologe muß behutsam vorgehen.
Der Beitrag des Patienten zur Genesung
(z. B. Komplementärmedizin) soll nicht
unterschätzt werden, aber vor Scharlatanen
müssen wir den Patienten schützen.
"Wenn ich sie brauche, kann ich mir Hilfe holen".
Der Patient hat Vertrauen zu Anderen, aber auch
von Anderen kontrollieren zu lassen.
Vertrauen im privaten und medizinischen Umfeld.
3. Stärkung von tagtäglichen Beziehungen. Der Krebskranke
soll eine solche Beziehung
im medizinischen Bereich und im privaten Bereich
finden: Einen Menschen finden, der
den Kranken als Mensch annimmt, der zuhören
kann, der mit ihm lachen und weinen
kann, den er jederzeit finden kann, der verläßlich
ist, der ihn ohne "wenn und aber"
annimmt.
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