Einführung
Die Gefäßchirurgie
behandelt Erkrankungen der Arterien (Schlagadern), Venen und
Lymphgefäße. Aus sozial-medizinischer Sicht kommt der Chirurgie
der Varizen
(Krampfadern), des embolischen Gefäßverschlusses und der
durch Arteriosklerose
verursachten chronischen arteriellen Verschlusskrankheit (AVK) die größte
Bedeutung zu.
Die AVK unterteilt sich in die oblitierende (Gefäßverschluß)
und dilatierende Arteriopathie
(Aneurysma).
Epidemiologie
In zivilisierten Ländern
ist die arterielle Verschlußkrankheit die wichtigste Volkskrankheit
und ab dem 40. Lebensjahr mit Abstand die häufigste Todes- und
Erkrankungsursache:
ischämischer Hirninfarkt, Herzinfarkt, Mesenterialinfarkt, chronische
Verschlußprozesse
der Becken- und Beinarterien und Amputationen.
ätiologie und Pathogenese
Die Alterung der Arterien
ist physiologisch, sie ist mit einem Elastizitätsverlust ohne
Strombahneinengung verbunden. Für die Entstehung chronischer Arterienverschlüsse
sind exogene (Nikotin, Fettsucht) und endogene Faktoren (Hochdruck,
Diabetes mellitus,
Hyperlipoproteinämie, Gicht) verantwortlich
Symptome
Das Ausmaß der peripheren
Ischämie richtet sich nach Lokalisation und Länge des
Gefäßverschlusses sowie nach dem Vorhandensein ausgebildeter
Kollateralen.
In einem gesunden Gefäßsystem kann z.B. ein kurzstreckiger
embolischer Verschluß
der Oberschenkel- arterie zum Absterben der Unterschenkelmuskulatur
führen, da die
Ausbildung von Kollateralbahnen länger dauert als die tolerable
Ischaemiezeit der
Muskulatur. Andererseits ruft ein langstreckiger Verschluß der
Oberschenkelarterie auf
dem Boden einer vor- bestehenden chronischen Stenose oft nur eine geringe
klinische
Symptomatik hervor, da die Kollateralisation bereits weitgehend ausgebildet
ist.
Im Einzelfall kann der Verlauf eines akuten Gefäßverschlusses
mit seinen Auswirkungen
auf das periphere Gewebe nie mit Sicherheit vorausgesagt werden. Klinische
Symptome
reichen von geringen, vom Patienten oft nicht beachteten Beschwerden,
bis zum
kompletten neurologischen Defizit (völlige Parese der Extremität).
Zur Beurteilung des
Spontanverlaufs ist neben dem aktuellen klinischen Befund auch die Zeitdauer
zwischen
dem akuten Verschluß und der aktuellen Symptomatik zu berücksichtigen.
Leicht bis
mäßiggradige Ischaemiesymptome sind innerhalb von wenigen
Minuten bis Stunden zu
erwarten, die Situation kann sich bis zur kompletten Ischaemie steigern,
oder durch
spontane Kompensations- mechanismen auch wieder verflüchtigen.
Die klinischen Beschwerden gleichen sich im wesentlichen unabhängig
von
der morphologischen Ursache und sind geprägt von:
1. belastungsabhängigem
Wadenschmerz
2. Kältegefühl
3. Dysästhesie
4. Parästhesie der Akren
5. gegebenenfalls Akrennekrose
Auf die Stadieneinteilung nach FONTAINE (I bis IV) sei verwiesen.
Stadium I - Gefäßveränderung ohne Beschwerden
Stadium IIa - Claudicatio intermittens, Gehstrecke über 200
m
Stadium IIb - Claudicatio intermittens, Gehstrecke weniger
als 200 m
Stadium III -
Ruheschmerz
Stadium IV - Nekrosen
(Gewebsuntergang)
Rund 80 bis 90 % der Verschlußkranken suchen den Arzt wegen einer
Claudicatio
intermittens (Stadium II) auf. Ein Stadium III (Ruheschmerz) oder ein
Stadium IV
(Nekrose) treten zumeist nur dann auf, wenn zu aorto-iliakalen (Becken-)Verschlüssen
Verlegungen der femoro-poplitealen Gefäßetage hinzukommen.
Auch bei nur einseitig angegebenen Beschwerden liegt zumeist eine,wenn
auch weniger
stark ausgeprägte Mitbeteiligung der Gegenseite vor, was dem Systemcharakter
der Arteriosklerose entspricht. Die Progredienz des Verschlußleidens
ist im Einzelfalle
nicht verläßlich vorauszusehen.
Aufgrund des Versorgungsgebietes der äste des aorto-iliakalen Arterienabschnittes
werden bei Verschluß-prozessen in dieser Etage nicht nur periphere
Beindurchblutungsstörungen angetroffen. Rund 40 % der Patienten klagt
über erektile
Potenzstörungen in unterschiedlicher Schwere. Ursächlich liegt
bei ihnen meist eine
Minderperfusion im Bereich der Arteria iliaca interna vor.
Typisch, wenngleich nicht immer anzutreffen, ist für das Stadium
II auch die Claudicatio
intermittens glutaealis.
Aorto-iliacale Verschlüsse können sich auch auf die Blutversorgung
des Darmes
auswirken, wenn zusätzlich stenosierende bzw. obliterierende Befunde
an den viszeralen
ästen der suprarenalen Aorta vorliegen. Hier kann es im Einzelfall
dann bei Beinarbeit zu
intermittierenden Anzapfeffekten auf die Darmdurchblutung kommen.
Diagnose
Eine genaue Anamnese (Patientenbefragung)
ist ebenso unerläßlich wie eine sorgfältige
klinische Untersuchung. Die allgemeine körperliche Untersuchung beinhaltet
den seitenvergleichenden Pulsstatus, Palpation (Aneurysma), Strömungsgeräusche,
Kapillardurchblutung und eine Beurteilung der hautmorphologischen Kriterien
wie Farbe,
Temperatur sowie Fokalneurologie (Sensibilität, Motorik).
Sprechen alle Kriterien für einen rein embolischen Gefäßverschluß (keine Claudicatio in
der Vorgeschichte, gegenseitige Extremitätenpulse vorhanden, eindeutige
Emboliequelle,
Embolieanamnese, Arrhythmie), kann bei mehr zentral gelegenen embolischen
Verschlüssen auf eine weitergehende Diagnostik verzichtet, und der
Patient unmittelbar
einer operativen Therapie zugeführt werden. Ist jedoch ein sicherer
klinischer Ausschluß
einer arteriellen Thrombose nicht möglich, wird eine apparative Voruntersuchung
erforderlich. Eine solche ist auch bei peripheren embolischen Verschlüssen
ratsam,
da sich u. U. Alternativen zur chirurgischen Embolektomie ergeben.
Auch bei scheinbar eindeutigem zentralem embolischem Verschluß ist eine apparative
Diagnostik immer ratsam, da trotz eindeutiger Konstellation klinische
Fehldiagnosen
auftreten können. Führendes diagnostisches Verfahren ist die
transarterielle
Angiographie. Duplexsonographie, CT, Kernspinntomographie usw. kommen
als
Ergänzungen (Nachweis von Dissektionen, Aneurysmen) in Betracht.
Angiologische Untersuchung
1. Palpation der Arterienpulses:
Eine der wichtigsten klinischen Untersuchungen.
Lokalisation der Pulse.
2. Auskultation der Stammarterien: pulssynchrone Geräusche
3. Blutdruckmessung an beiden Armen: Differenz von mehr als 30 mmHg sind
pathologisch
4. Rekapillarisierungszeit
5. Periphere Ischämiezeichen
6. Aneurysma
Belastungs-und Provokations Tests
Gehtest: Da die Angaben des
Patienten subjektiv sind, ist eine Standardisierung der
Gehstrecke notwendig. Wichtigste Funktionsprobe ist der Gehtest. Mittels
Metronom wird
die Schrittfolge vorgegeben (2/s), bestimmt wird die relative Gehstrecke
bis zum Eintreten
erster Schmerzen und die absolute Gehstrecke bis zur Unmöglichkeit
weiterzugehen.
Tests
Der Gehtest:
1. informiert über den
Kompensationsgrad des Arterienverschlusses
2. dient der Dosierung für das Gehtraining nach dem Intervallprinzip
3. zeigt Beserung oder Verschechterungan
Der Test kann mit Hilfe eines Laufbandergometers noch exakter definiert
werden.
Apparative Untersuchung
Die Ermittlung des Dopplerindex
,
dem Quotienten des Doppler-Druckes im Bereich
der Knöchelarterien und dem Blutdruck am Arm (an Stenose im supraaortalen
Bereich
denken !). Bei der hämodynamisch nicht relevanten Stenose wird dieser
größer als 1
oder 1 sein, je nach Schweregrad der Durchblutungsstörung sinkt er
unter 1 ab, wobei
ein Wert bis 0,7 für gewöhnlich keine Indikation für ein
weiteres diagnostisches Vorgehen
darstellt. Eine Ausnahme hiervon bildet die diabetische Angiopathie, die
durch
die Mediasklerose die Werte nach oben verfälscht. Eine kritische
Gliedmaßenischämie
ist anzunehmen bei absoluten Druckwerten, die unter 50 mm Hg im Knöchelbereich
oder beim Diabetiker unter 30 mmHg im Zehenbereich liegen. Zur Einschätzung
der
Gehstrecke ist die Laufbandergometrie nützlich, die bei 3 km/Std.
und 12° Steigung
erfolgen soll. Diese Werte entsprechen nicht der tatsächlichen Gehleistung
unter
physiologischen Bedingungen, die etwa 2 - 3 mal so hoch ist.
Die Duplexsonographie
kann Stenosen
und Verschlüsse der Oberschenkelgefäße darstellen und
auch die Art
der Arteriosklerose bestimmen. Akute thrombotische
Komplettierungen und Embolien
lassen sich mit dieser Methode gut erkennen.
Die intraarterielle digitale Subtraktionsangiographie
gilt heute
als Goldstandard der Angiographie und ist wo möglich - einzusetzen.
Sie hat die konventionelle Angiographie ohne Subtraktion
des Nativbildes wegen
der geringeren Kontrastmittelmenge und der höheren
Sensitivität fast vollständig
verdrängt. Dennoch kann die konventionelle Angiographie
bei bestimmten
Fragestellungen (insbesondere periphere Gefäßverschlüsse)
indiziert sein und liefert
technisch hervorragende Angiogramme.
Die intravenöse digitale Subtraktionsangiographie
Diese Methode
kommt nur für großkalibrige Arterien in Betracht und weist
eine deutlich
geringere Sensitivität und Spezifität auf.
Die Magnetresonanzangiographie
Dieses technisch
aufwendige und teure Verfahren besitzt eine deutlich geringere
Sensitivität und Spezifität für die
Ermittlung von Gefäßläsionen und weist insbesondere
bei der Unterscheidung von hochgradigen Stenosen von
einem Verschluß einen relativ
hohen Fehleranteil aus und sollte daher nur bei Kontrastmittelunverträglichkeit
bzw.
Unmöglichkeit einer Röntgenstrahlenbelastung
(z.B. Schwangerschaft) erwogen
werden.
Die Computertomographie
Die Computertomographie
kann für aneurysmatische Gefäßveränderungen zum
Einsatz kommen, auch mit computertomographischen Methoden
ist eine
angiographische Darstellung möglich, die jedoch
speziellen Fragestellungen
vorbehalten bleibt. Ein zusätzlicher Informationswert
in bezug auf eine
lndikationsstellung ist von dieser Technik nicht zu
erwarten.
Therapie
Seite 2 |