Was sind Krampfadern
Bei Krampfadern
handelt es sich um eine degenerative Erkrankung der
Venenwand im epifascialen Venensystem, die sich unter dem Einfluss verschiedener Realisations-faktoren (z. B. Orthostasenbelastung) im Laufe des Lebens
in
unterschiedlicher Ausprägung und Schweregrad zum Krampfaderleiden
entwickelt.
Nach morphologischen Kriterien werden mehrere Typen von Varizen unterschieden:
1. Stammvenen-Varizen
2. Seitenast-Varizen
3. Perforans-Varizen
4. Retikuläre-Varizen
5. Besenreiser- Varizen
Generell und durch ausgedehnte
epidemiologische Studien belegt kann die primäre
Varikosis als eine sehr häufige Erkrankung gelten. In der Baseler
Studie waren 56%
des untersuchten Kollektives als Varizenträger einzustufen, bei
12 % wurde die Varikosis
als medizinisch bedeutsam angesehen. 3 % der Untersuchten hatten eine
krankhafte
Varikosis mit schwerer venöser Insuffizienz, 9 % eine leichte venöse
Insuffizienz und 1 %
der Untersuchten wiesen ein florides Ulcus cruris auf.
Symptome und Befunde
Anhand des Beschwerdebildes
sowie des Lokalbefundes lässt sich die primäre
Varikosis in 4 klinische Schweregrade einteilen:
Stadium 1: Geringfügige Varikosis;
keine (nennenswerten) Beschwerden;
keine Komplikationen.
Stadium 2: Varizen; Beschwerden (Dysästhesien, Juckreiz, Schweregefühl,
Spannungsgefühl, leichte Schwellneigung, Wadenkrämpfe, Schmerzen
etc.);
keine Komplikationen.
Stadium 3: Deutliche Varikosis; Beschwerden (wie Stad. 2); Komplikationen:
Trophische
Hautstörungen (Induration, Pigmentierungen, Dermatitis, Ekzem,
Atrophie);
Thrombophlebitis etc.
Stadium 4: Ausgedehnte Varikosis; Beschwerden (wie Stad. 2 u. 3), Komplikationen
(wie Stad. 3); florides Ulcus cruris:
Die für die hämodynamische Bedeutung der Varikosis wichtige
Stammvenen-
Insuffizienz lässt sich nach einer Stadieneinteilung von HACH (1977)
klassifizieren,
die im deutschsprachigen Raum allgemein akzeptiert ist.
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Vena
saphena magna |
Stadium |
Vena
saphena parva |
Insuffizienz
der Schleusenklappen |
I |
Insuffizienz der
Schleusenklappe |
Gefäßerweiterung
auf Bleistiftdicke,
retrograder Blutstrom bis oberhalb
des Knies.
Insuffizienz der Venenklappen.
Aneurysmen. |
II |
Gefäßerweiterung
auf Bleistiftdicke,
retrograder Blutstrom
bis Wadenmitte.
Insuffizienz der Venenklappen
Aneurysmen |
Gefäßerweiterung
bis auf
Kleinfingerdicke, retrograder
Blutstrom bis unterhalb des Knies.
Insuffizienz der Venenklappen.
Aneurysmen.
|
III |
Gefäßerweiterung
bis auf
Kleinfingerdicke, retrograder
Blutstrom bis zur Knöchelregion
Insuffizienz der Venenklappen
Aneurysmen. |
Gefäßerweiterung
auf Fingerdicke,
Schlängelung, Verlust der Klappen,
retrograder Blutstrom bis zur
Fessel, Aneurysmen.
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IV |
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Unbehandelt ist der Verlauf der medizinisch bedeutsamen Varikosis,
insbesondere mit
Perforans-Insuffizienz und Stammveneninsuffizienz, geprägt von
einer hohen Inzidenz
an Komplikationen (Chronisches ödem, tropische Hautstörungen,
Ulcus cruris,
Varikophlebitis, tiefe Beinvenenthrombose). In der Baseler Studie wiesen
die Träger
einer relevanten bzw. krankhaften Varikosis, je nach Selektion der Schweregrade,
zwischen 9 mal und 20 mal häufiger Komplikationen im Bereich des
Venensystems
auf, als gleichaltrige varizenfreie Probanden. In der Tübinger
Studie gaben 5 % der
Befragten größere Beeinträchtigungen im Beruf an davon
45 % eine Arbeitsunfähigkeit
von mehr als 6 Wochen und 55 % waren betroffen durch Arbeitsplatzwechsel,
Umschulung, Aufgabe der beruflichen Tätigkeit mit und ohne Invalidität.
Diagnostik
Ziel der Diagnostik bei
der primären Varikosis ist:
Unterscheidung der primären
von der sekundären Varikosis
Unterscheidung der unbedeutenden
von der medizinisch relevanten Varikosis
Aufdeckung und Klassifizierung
der hämodynamischen Störungen
Aufdeckung und Klassifizierung
der sekundären Beteiligung des tiefen Venensystems
Ausschluss einer begleitenden
peripheren arteriellen Verschlusskrankheit
Neben der klinischen Untersuchung kommt der nicht invasiven angiologisch-
meßtechnischen Untersuchung höchste Bedeutung zu. Die Kenntnis
der
morphologischen Veränderungen ist ebenso wie die subtile Kenntnis
der funktionellen
Störungen notwendig für die Erarbeitung eines stadiengerechten
Therapiekonzeptes.
Die nachfolgend aufgeführten Methoden können als Standardverfahren
in der Abklärung
und Bewertung der primären Varikosis gelten. Die genannten Untersuchungsmethoden
sind dabei keine konkurrierenden Verfahren. Unter Beachtung ihrer unterschiedlichen
Aussagekraft und der Bewertung unterschiedlicher funktioneller und morphologischer
Kriterien ist in der Addition der Aussagen ein Höchstmaß
an diagnostischer
Treffsicherheit und Zuverlässigkeit zu erreichen.
Ultraschall-Dopplersonographie (USD)
Die USD stellt die technische
Basisuntersuchung in der Diagnostik von Gefäßkrankheiten
dar. Neben der orientierenden Untersuchung und Festellung grober Störungen
des venösen Flusses (Atemmodulation etc.) gestattet die Methodik
den Nachweis von
Klappeninsuffizienzen, Refluxstrecken und ist geeignet sowohl den oberen
als auch
den unteren Insuffizienzpunkt bei der Stammvarikosis mit ausreichender
Genauigkeit
zu bestimmen. Die USD Untersuchung ist zwingende Voraussetzung um andere
nicht
invasive Untersuchungsverfahren zielgerichtet einsetzen zu können.
Lichtreflexionsrheographie (LRR) und Photoplethysmographie (PPL)
Methodisch vergleichbare Verfahren zur Darstellung der änderung
des Füllungsverhalten
der dermalen Venenplexus unter ambulatorischen Bedingungen.
Venenverschlußplethysmographie VVP
Methodisch aufwendige Untersuchungsmethodik,
die in unterschiedlichen Modifikationen
in der Lage ist, durch Messung der druckabhängigen venösen
Kapazität, des venösen
Ausstroms sowie des maximalen Volumenabfalles eine globale Beurteilung
der venösen
Leistungsreserven vorzunehmen.
Sonographie
Die reine B-Bildsonographie
ist in begrenztem Umfang in der Lage morphologische
Befunde im Bereich des Venensystems zu dokumentieren und anatomische
Bezüge
darzustellen.
Duplexsonographie
Simultane Anwendung des
Ultraschall-B-Bildes sowie der Doppler-Ultraschalltechnit ggf.
mit Farbcodierung von Flussinformationen. Die Methode erlaubt es, simultan
morphologische Kriterien (B-Bild) und funktionelle Kriterien (Flussanalyse)
zu sehen und
zu interpretieren und stellt durch die Echtzeitbetrachtung die genannten
Kriterien in einen
direkten anatomischtopographischen Zusammenhang. Die Duplexsonographie
ist für
eine moderne Venendiagnostik unverzichtbar und stellt heute die Standardmethode
in
der Diagnostik des epifascialen Venensystems dar. Die Zuverlässigkeit
der Methodik ist
in der Hand des geübten Untersuchers mit einer Spezifität
und Sensivität von mehr als
95 % extrem hoch.
Thermographie
Aufzeichnung unterschiedlichen
Temperaturverhaltens der Haut in Relation zur
unterschiedlichen Blutfülle. Keine Routinemethode. Gelegentlich
eingesetzt zur
Lokalisation von Perforans-Venen.
Phlebodynamometrie (PD)
Blutige Messung des peripheren
Venendruckes und dessen Verhalten bei
Lagerungsproben und unter normierter Belastung. Hohe Aussagekraft, da
objektivierbare
Methode. Standard- und Referenzmethode bei wissenschaftlichen Untersuchungen
am
Venensystem. In der Routinediagnostik wegen der unvermeidlichen Invasivität
nur bei
speziellen Fragestellungen üblich.
Phlebographie
Photographisch-radiologische,
kontrastmittelvermittelte Darstellung des tiefen und
epifascialen Venensystems. Unter Beachtung bestimmter Ablauftechniken
können
neben morphologischen Kriterien auch funktionelle Kriterien geprüft
werden. (z.B.
Pressphlebographie). Die Methode gilt als golden standard"
der Venendiagnostik.
Sie ist in ihrer Bedeutung, durch die nicht invasiven Untersuchungstechniken,
insbesondere durch die farbcodierte Duplexsonographie zurückgedrängt
worden.
Die Phlebographie ist in der Diagnostik der Primären Varikosis
der Duplexsonographie
nachgeordnet. Steht eine Duplexsonographie (noch) nicht zur Verfügung
ist vor
der Indikationsstellung zu operativen Maßnahmen unverändert
eine Phlebographie
als obligatorisch anzusehen.
Indikationsstellung
Therapiebedürftig ist
das gesamte Spektrum der medizinisch relevanten Varikosis der
klinischen Stadien 2 und höher. Wird im Rahmen der Diagnostik der
primären Varikosis
eine begleitende periphere arterielle Verschlusserkrankung festgestellt,
so tritt
die Bedeutung der Varikosis im Vergleich zur AVK zurück und es
ist in der Regel
der konservativen Therapie der Varikosis vor invasiven Verfahren der
Vorzug zu geben
Oberstes therapeutisches Ziel ist es dabei, den Reflux von Blut aus
dem tiefen
Venensystem in das ektatische oberflächliche Venensystem zu unterbrechen
(Unterbrechung der Rezirkulationskreise n. HACH) und möglichst
dauerhaft zu verhindern;
das Blutvolumen in der betroffenen Extremität zu vermindern und
das Entstehen eines
hydrostatischen, venösen ödems zu vermeiden.
Therapie
Eine Heilung der Krampfadern-Erkrankung
ist nicht möglich.
Die therapeutischen Möglichkeiten umfassen:
Konservative Maßnahmen
Verödungs-Maßnahmen
Operative Maßnahmen
Eine absolute Priorität für eine bestimmte Behandlungsmethode
kann nicht abgeleitet
werden. Grundsätzlich ist immer und in jedem Stadium der Erkrankung
auch unter
Berücksichtigung der Komplikationen eine konservative Therapie
möglich. Dabei ist zu
beachten, dass der Effektivität konservativer Maßnahmen in
bestimmten Situationen,
bei bestimmten Befunden und bei Kompressionsmaßnahmen insbesondere
unter
Berücksichtigung des Faktors Alter und begleitender sonstiger Erkrankungen,
Grenzen
gesetzt sind. Eine eigentliche Sanierung der Varikosis ist daher nach
Möglichkeit
anzustreben Bei Insuffizienz der Stammvenen sowie der Perforans-Venen
ist
die operativen Sanierung der Varikosis die Therapie der Wahl.
Die konservative Therapie umfasst:
Kompressionsverbände
Medizinische Kompressionsstrümpfe
Medikamente
Kompressionsverbände und die für die Dauertherapie effektiveren
Kompressionsstrümpfe sind geeignet die genannten Therapieziele
in ausreichendem
Maße zu erreichen. Um das angestrebte Ziel, die Verbesserung der
venösen
Hämodynamik am erkränkten Bein rnit Kompressionsstrümpfen
zuverlässig und
dauerhaft zu erreichen, sind hohe Qualitätsanforderungen an die
Normierung, Fertigung
und Kontrolle von Kompressionsstrümpfen zu stellen. Neben der Kontrolle
von
materialabhängigen Faktoren ist die fachliche ärztliche Kontrolle
der sachgerechten
Anpassung und der medizinischen Wirksamkeit der medizinischen
Kompressionsstrümpte, nicht zuletzt wegen der hohen Kosten dieser
Therapie,
unverzichtbar Verläßliche Untersuchungen zur medikamentösen
Therapie bei primärer
Varikosis im unkomplizierten Stadium liegen nicht vor. Aus theoretischen
überlegungen
kann davon ausgegangen werden, daß peroral einzunehmende oder
auch lokal
applizierbare Medikamente, wenn überhaupt, nur marginal verbessernden
Einfluß auf
die pathophysiologischen Vorgänge im Zusammenhang mit der primären
Varikosis,
nehmen können. Der Applikation von ödemprotektiven und diuretischen
Substanzen
kommt nur eine additive Bedeutung neben der im Vordergrund stehenden
Kompressionsbehandlung zu.
Die wesentliche Bedeutung der Verödungstherapie liegt in der Behandlung
von Seitenast-Varizen sowie Besenreiser- und Retikulären Varizen.
Die Verödung von Besenreiser- und Retikulären Varizen stellen
i.d.R. keine medizinische
Indikation dar (Ausnahme offene Varizenblutung aus Retikulären
Varizen). Das Prinzip
der Verödungsbehandlung besteht darin, durch Injektion einer gewebetoxischen
Flüssigkeit in eine Varize einen lokalen Endothelschaden zu erzeugen
und durch eine
begleitende Kompressionsmaßnahme ein ,,veröden" des
Venenabschnittes zu erzielen.
Die Verödung von Perforansvenen oder der Mündungsbereiche
von Vena saphena
magna oder parva gilt wegen der Gefahren für das tiefe Venensystem
als obsolet.
Die Verödungsbehandlung der Stammvenen ist ingesamt wegen der außerordentlich
hohen Rezidivrate von mehr als 50%, als relativ kontraindiziert anzusehen
und soll nur in
Ausnahmefällen, etwa als Palliativmaßnahme zur Anwendung
kommen. Unter Beachtung
der Indikationen und (relativen) Kontraindikationen sowie sachgerechter
Durchführung
stellt die Verödungstherapie ein effektives, kostengünstiges
und komplikationsarmes
Behandlungsverfahren dar. |